Oberbürgermeister Ashok Sridharan und die Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn hatten Vertreter des Einzelhandelns, Eigentümer und Vermieter, Städteplaner sowie alle Interessierte zum Gespräch zusammen gebracht. Diskussion und Vernetzung aller Akteure wird im Arbeitskreis „Innenstadt“ fortgesetzt.
„Handel ist Wandel – Wohin entwickelt sich die Bonner Innenstadt?“ Um den aktuellen Stand der Innenstadt und ihre Zukunft zu diskutieren, hatte Oberbürgermeister Ashok Sridharan unter diesem Motto Experten und Akteure zur Bonner City-Konferenz am Dienstag, 27. Oktober 2020, eingeladen. Aufgrund der Corona-Pandemie diskutierten allerdings nur die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Haus der evangelischen Kirche. Die rund 140 anderen Konferenz-Interessierten konnten über einen Live-Stream folgen und online Fragen und Anregungen in den Tagungsraum senden.
„Die heutige Konferenz geht auf meine Initiative zurück – auch wenn meine Amtszeit nun bald endet, bin ich froh und dankbar, dass unsere Wirtschaftsförderung diese Veranstaltung heute mit Fachleuten ermöglicht hat“, begrüßte Oberbürgermeister Ashok Sridharan die Gäste. „Nur in Zusammenarbeit aller Akteure können wir erfolgreich sein“, betonte der OB und kündigte die Gründung des Arbeitskreises „Innenstadt“ an, der das Thema langfristig begleiten werde.
Professor Dr. Thomas Krüger, HafenCity Universität Hamburg, sprach die Keynote und lieferte einen Zustandsbericht, aber auch Optionen für die Zukunft. „Sie haben eine sehr starke Innenstadt – das ist etwas Besonderes!“, so Krüger, der sich seit mehr als 20 Jahren mit der Entwicklung von Innenstädten und des Einzelhandels beschäftigt. Dennoch sei nichts so gut, dass es nicht noch besser werden könne.
Innenstadt: Für erfolgreiche Entwicklung braucht es Dialog und Zusammenarbeit
In den vergangenen Jahren zeigte sich laut Krüger die Entwicklung, dass die Besucherfrequenzen in den Innenstädten um 10 bis 15 Prozent abgenommen hätten. Gleichzeitig nahm der Online-Handel zu. Das so genannte Multi-Channelling, also Vertriebswege über verschiedene Kanäle, wie stationärer Handel, Online-Shop oder Katalog, würde immer mehr an Bedeutung gewinnen. Zu dieser Entwicklung kämen Herausforderungen wie geringere Flächennachfrage, rückläufige Mieten und Nachnutzungsprobleme, insbesondere bei großen Immobilien. Die Corona-Krise wirkte zudem wie ein Brandbeschleuniger. „Doch hier bieten sich auch Chancen für neue Konzepte und Nutzungen in den Innenstädten und Quartierszentren“, so Krüger. Das Stichwort laute „Zusammenarbeit“: Handel, Büronutzung und Kultureinrichtungen bräuchten Eigentümer, die aktiv ihre Immobilie entwickeln in Kooperation mit Mietern und auch Nachbareigentümern. Als dritten Player sieht er die Stadtverwaltungen, die unterstützen und koordinieren.
Um hier erfolgreich zu sein, müsste der Dialog forciert bzw. zunächst etabliert werden. „Wir brauchen ein Zusammenwirken von Handel, Büro, Gastronomie, Kultur, Immobilienwirtschaft und Städtebau sowie Stadtentwicklung“, so Professor Krüger. Mit einer so besetzten Taskforce der Akteure für kurzfristiges Handeln könne der Wandel gelingen.
Wirtschaftsförderin Victoria Appelbe blickte in ihrer Zustandsbeschreibung der Bonner City, mit 17 Kilometern Fußgängerzone eine der größten bundesweit, kurz zurück und betonte, dass Bonn seit den 70er Jahren ein immer wieder modifiziertes Einzelhandels- und Zentrenkonzept habe. „Dieses hat uns vor Einkaufszentren auf der grünen Wiese bewahrt“, so Appelbe. Auch wenn sich seit Jahren viel Wandel in der Innenstadt beobachten ließe, sei sie überzeugt, dass Bonn das Oberzentrum der Region bleiben werde. Aber: Handel werde zurückgehen, dafür würden Wohnen, Dienstleistung und Kultur zunehmen.
Gemeinsam mit Philipp Blömer, lokaler Eigentümer und Vermieter, Jannis Vassiliou, Vorsitzender Einzelhandelsverband Bonn Rhein-Sieg Euskirchen, Dr. Frank Wenzel, Geschäftsführung Aachener Grundvermögen und Vermieter von Karstadt, Stadtbaurat Helmut Wiesner sowie Professor Dr. Stephan Wimmers, Geschäftsführer Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, diskutierte sie fünf Schwerpunkthemen der Innenstadt. Nutzungsmischung, Sicherheit, Sauberkeit, Erreichbarkeit, Stadtklima sind die Themenfelder, die die Bonner Wirtschaftsförderung als die dringlichsten definiert hat.
Kreative Konzepte für Nutzungsmischung sind gefragt
Dr. Frank Wenzel konstatierte aus Sicht eines großen Vermieters: „Die aktuelle Entwicklung ist gut, denn die Funktionstrennung von Arbeiten und Einkaufen, Freizeit und Wohnen löst sich langsam auf. Das ist eine ganz große Chance!“ Für die Karstadt-Immobilie arbeite man derzeit daran, eine qualitativ gute Nachvermietung zu finden. „Dennoch werden wir Flächen in den oberen Geschossen übrig behalten. Hier würden wir es begrüßen, wenn es gelingt, gemeinsam mit weiteren Akteuren einen spannenden Mix auch mit kultureller Nutzung zu entwickeln. Einzelhandel darf nicht heißen, dass alle einzeln handeln“, so Wenzel.
Einig waren sich die Vertreter des Einzelhandels, dass die Erreichbarkeit der Innenstadt verbessert werden sollte. Dies bedeute zum Beispiel auch, die Staus in der City in den Griff zu bekommen. „Hier muss das Problem des Pendelverkehrs gelöst werden und attraktive Park & Ride-Optionen sowie ÖPNV-Möglichkeiten her“, so Professor Dr. Wimmer. Stadtbaurat Wiesner verwies auf das städtische Ziel einer Reduzierung des Anteils des Autoverkehrs auf 25 Prozent.
Ein weiteres Thema war auch Sicherheit. Dass trotz rückläufiger Kriminalitätsstatistik dennoch oft ein fehlendes subjektives Sicherheitsgefühl vorhanden sei, erklärte Appelbe so: „Durch Abriss und Bebauung des „Bonner Lochs“ hat sich die Szene breiter in der Innenstadt verteilt. Das erschwert auch die Kontrolle durch Ordnungsbehörden und Betreuung durch Soziale Dienste.“
Zur Sauberkeit versicherten Stadtbaurat Helmut Wiesner und Wirtschaftsförderin Appelbe, dass schon viel getan werde, wie verstärkte Reinigung durch Bonnorange oder zahlreiche Mülleimer. Das wichtige Thema Klimawandel konnte nur kurz gestreift werden, soll aber in Zukunft näher betrachtet werden.
City-Konferenz Auftakt zu weiteren Aktivitäten
Die City-Konferenz war der prominente Auftakt in einer ganzen Reihe von Aktivitäten der Stadtverwaltung. Umgesetzt werden zum Beispiel bereits die permanente Analyse der Passantenfrequenzen, eine Passantenbefragung gemeinsam mit dem Einzelhandelsverband im Rahmen der bundesweiten Studie Vitale Innenstädte 2020 oder der Masterplan Innere Stadt. Um den Dialog und die Vernetzung der Akteure fortzuführen und zu intensivieren, richtet die Wirtschaftsförderung demnächst einen ständigen Arbeitskreis Innenstadt ein.
Foto: Diskutierten über die Zukunft der Bonner Innenstadt (von links nach rechts): Professor Dr. Thomas Krüger, Dr. Frank Wenzel, Professor Dr. Stephan Wimmers, Jannis Vassiliou, Helmut Wiesner, Victoria Appelbe und Philipp Bloemer.