Modellstadt „Saubere Luft“: 365-Euro-Ticket als Schnupperangebot für Bonner Neukunden

Als eine von fünf Modellstädten „Saubere Luft“ (Lead City) wird die Bundesstadt Bonn eine Projektskizze für drei konkrete Maßnahmenpakete zur Verbesserung der Luftqualität bei der Bundesregierung einreichen: für ein Tarifpaket mit einem 365-Euro-Jahresticket, für die Taktverdichtung und die Angebotsverbesserung bei Bus und Bahn sowie für ein Betriebliches Mobilitätsmanagement. All diese Maßnahmen sollen von einer Evaluierung begleitet werden.

Wie der Rat der Stadt Bonn am 10. Juli 2018 beschlossen hat, sollen die Projekte teilweise noch zum Dezember 2018 umgesetzt werden und ansonsten so schnell wie möglich. Voraussetzungen dafür sind die verbindliche Förderzusage des Bundes und die Zustimmung weiterer betroffener Akteure. So sind Tarif-Maßnahmen z.B. mit dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg und Angebotsausweitungen mit dem Rhein-Sieg-Kreis abzustimmen.

Für die drei Projektpakete werden Ausgaben von insgesamt 39,65 Millionen Euro für den Zeitraum 2018 bis 2020 kalkuliert. Der Bund hat angekündigt, davon 37,67 Millionen Euro (95 Prozent) zu tragen. Die Förderung des Bundes ist auf das Jahr 2020 begrenzt, eine Anschlussförderung ist derzeit nicht vorgesehen.

365-Euro-Ticket

Das 365-Euro-Jahresticket nach dem Vorbild der Stadt Wien (Klima-Ticket) soll als „Schnupperangebot“ für Bonner Neukunden im Geltungsbereich 1b (Stadtgebiet Bonn) konzipiert werden. Es soll denjenigen Lust auf die Nutzung von Bus und Bahn machen, die den Öffentlichen Verkehr bislang gar nicht oder selten nutzten. Für sie soll das einfache und attraktive Schnupperangebot für ein Jahr gelten: Für einen Euro pro Tag im ganzen Bonner Stadtgebiet mit DB-Zügen und allen Bahnen und Bussen fahren. Die Stadt erhofft sich, dass so viele Bonnerinnen und Bonner die Vorteile von Bus und Bahn kennen- und schätzen lernen und den Umweltverbund häufiger nutzen.

Geprüft wurde eine Ausweitung des 365-Euro-Jahrestickets auf den Rhein-Sieg-Kreis. Aufgrund der auf 22 Millionen Euro begrenzten Förderung des Bundes scheidet dies aus Kostengründen jedoch genauso aus wie eine Ausweitung des neuen Ticketangebots auf die Bestandskunden.

Noch wird aber geprüft, ob auch für Gelegenheitskunden weitere Tarifverbesserungen im Tarifpaket des Projekts realisiert werden können.

Taktverdichtungen

Bei Stadtbahn-, Straßenbahn- und Buslinien sollen insbesondere außerhalb der Morgenspitze an Werktagen zusätzliche Taktverdichtungen vorgenommen werden. Das heißt: Busse und Bahnen sollen häufiger fahren. Für die meisten Maßnahmen müssen keine weiteren Fahrzeuge angeschafft werden, denn dies würde eine schnelle Umsetzung bis 2020 schwieriger machen. So soll z. B. Montag bis Freitag der 10/20-Minuten-Takt im Bus- und Bahnnetz um eine Stunde bis 20.30 Uhr verlängert und erst dann auf 15/30-Minuten-Takt ausgedünnt werden. Samstags sollen Busse und Bahnen von ca. 9.30 bis 20.30 zukünftig ebenfalls alle 10 bzw. 20 Minuten fahren (statt heute alle 15 oder 30 Minuten). Darüber hinaus sind zahlreiche Verbesserungen auf den Buslinien in den Rhein-Sieg-Kreis geplant.

Da die einzelnen Konzepte für die regionalen Buslinien weiter konkretisiert werden müssen, soll der Stadtrat im Laufe des Jahres die genaue Ausgestaltung mit einer weiteren Fortschreibung des Nahverkehrsplans beschließen.

Betriebliches Mobilitätsmanagement

Gemeinsam mit dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Zukunftsnetz Mobilität beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg wird ein betriebliches Mobilitätsmanagement für Arbeitgeber in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis aufgebaut. Zusätzliche Mitarbeiter sollen ein Netzwerk schaffen, Mobilitätsanalysen für Unternehmen durchführen und Arbeitgeber bei Maßnahmen und Fördermöglichkeiten beraten. Ziel ist es, gezielt Konzepte mit Unternehmen zu entwickeln, um deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Umstieg vom Auto auf Bus, Bahn oder Fahrrad zu bewegen. Gleichzeitig soll ein schneller Draht zwischen den Unternehmen und ihren Beschäftigten, den Kommunen und den Verkehrsunternehmen entstehen, um gezielt Verbesserungen für Bus, Bahn und Fahrrad umzusetzen.

Auswertung

Mit Hilfe von Fahrgastbefragungen und Zählungen soll ein externes Unternehmen auswerten, welche Wirkungen das Maßnahmenpaket erzielt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden auch dazu dienen, um im Jahr 2020 zu entscheiden, ob die Projekte auf andere Kommunen übertragen, fortgeführt, zurückgenommen oder eventuell modifiziert werden.

Hintergrund

In vielen Städten Deutschlands, auch in Bonn, werden die gesetzlichen Grenzwerte für die Stickstoffdioxid-Immissionen überschritten. Daher drohen Dieselfahrverbote, u.a. auch durch die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Bonn. Die Europäische Kommission klagt gegen den Bund wegen Verletzung der EU-Vorgaben zur Luftqualität in mehreren Städten.

Die Stadt Bonn lehnt Dieselfahrverbote ab, will jedoch zeitgleich die Luftqualität im Sinne des Gesundheitsschutzes verbessern. Die Stadt weist darauf hin, dass die Verantwortung für die zu hohen Stickoxid-Immissionen im Wesentlichen bei den Automobilherstellern zu verorten ist. Nach Auffassung der Stadt sollten diese die Autos mit zu hohen Emissionen wirksam nachrüsten. Wie der Deutsche Städtetag sieht die Stadt Bonn in einer „Blauen Plakette“ für saubere Diesel eine Notlösung, um pauschale und kaum zu kontrollierende Dieselfahrverbote zu vermeiden. Auch wenn die Verantwortung für die hohen Schadstoffwerte im Wesentlichen bei den Automobilherstellern liegt, will die Stadt Bonn über kommunale Maßnahmen ihren Beitrag dazu leisten, die Luftqualität zu verbessern.

Dafür arbeitet die Stadt Bonn u.a. im NRW-Förderprogramm „Emissionsfreie Innenstadt“ oder im von Bundesseite aufgesetzten „Sofortprogramm Saubere Luft“ und sie erarbeitet einen durch den Bund geförderten „Masterplan“. Das Projekt „Lead City“ ist ein eigenes Förderprojekt. Es bewegt sich außerhalb dieser Förderprogramme.

Im Februar 2018 hatte der Bund dem EU-Kommissar Karmenu Vella ein Bündel von Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Deutschland angekündigt. Diese Projekte sollen in fünf Modellstädten („Lead Cities“) erprobt werden: Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen.

Die Stadtverwaltung reichte als Modellstadt eine Liste von 60 möglichen Maßnahmen beim Bund ein. Daraufhin bat der Bund, fünf bis zehn Projekte zu priorisieren. Die Stadt Bonn meldete zehn prioritäre Projekte, von denen der Bund die drei dargestellten Maßnahmenpakete grundsätzlich für förderfähig hält.

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