Maßnahmen-Dreiklang für bessere Luft: Bund fördert Bonner Modellprojekte mit voraussichtlich 37,6 Mio Euro

Ein „Klima-Ticket“ für 365 Euro, verbesserte Angebote bei Bus und Bahn sowie ein betriebliches Mobilitätsmanagement – auf diesen Dreiklang setzt die Stadt Bonn im Rahmen des Modellprojekts der Bundesregierung zur Luftreinhaltung in den Städten. Bonn war im Frühjahr als eine der fünf „Lead Cities“ bestimmt worden, in denen vom Bund geförderte Projekte zur Luftreinhaltung getestet werden sollen. Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket wäre mit 39,65 Mio Euro zu realisieren. Der Bund hat angekündigt, davon voraussichtlich 37,67 Mio Euro (95 Prozent) zu fördern. Der Rat hatte am 10. Juli beschlossen, dass Bonn sich mit diesen Vorhaben beim Bund bewirbt.

„Diese Projekte testweise umsetzen zu können, bedeutet für Bonn einen deutlichen Schritt nach vorn auf dem Weg zu weniger Individualverkehr und damit besserer Luft“, sagte Oberbürgermeister Ashok Sridharan bei der Vorstellung der Maßnahmen in Berlin am Dienstag, 14. August 2018. Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), und Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hatten dazu die Vertreter der fünf Modellstädte Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen eingeladen. „Wir sind eine wachsende Stadt, bis 2040 wird die Bevölkerungszahl auf knapp 350.000 angestiegen sein. Als attraktiver Standort für Unternehmen und Institutionen verzeichnen wir schon derzeit täglich 136.000 Einpendler und 55.000 Auspendler“, so Sridharan. „Wir müssen also etwas tun, um die Schadstoffbelastung in der Luft zu reduzieren. Das sind wir auch unserem Anspruch schuldig, nicht nur Sitzort des Klima-Sekretariats der Vereinten Nationen zu sein, sondern das Thema Nachhaltigkeit auch als Kommune erst zu nehmen.“

365-Euro-Ticket für Neukunden

Eines der drei Projekte ist das sogenannte „Klima-Ticket“, das in Wien bereits erfolgreich umgesetzt wird. Zwölf Monate mit Bus und Bahn im Stadtgebiet Bonn für 365 Euro, so lautet das Angebot an Neukunden, das gemeinsam mit den Stadtwerken Bonn (SWB) auf den Weg gebracht werden soll. Gleichzeitig soll es für Firmen einfacher werden, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Jobtickets anzubieten. Schließlich ist ein Tagesticket für fünf Personen zum Preis von einer Person vorgesehen, das sich besonders an Familien richtet. Das neue Tarifangebot soll bereits zum 1. Januar 2019 eingeführt werden. Für den Förderzeitraum 2018 bis 2020 schlagen diese Maßnahmen mit 18,3 Mio Euro zu Buche.

Um der erwarteten Zunahme der ÖPNV-Nutzer Rechnung zu tragen, sollen einerseits neue Buslinien geschaffen, andererseits die Takte bestehender Linie in Randzeiten und am Wochenende verdichtet werden. Für die meisten Maßnahmen müssen keine weiteren Fahrzeuge angeschafft werden, denn dies würde eine schnelle Umsetzung bis 2020 schwieriger machen. So soll zum Beispiel auf den Hauptlinien Montag bis Freitag der 10/20-Minuten-Takt um eine Stunde bis 20.30 Uhr verlängert und erst dann auf 15/30-Minuten-Takt ausgedünnt werden. Samstags sollen Busse und Bahnen von ca. 9.30 bis 20.30 zukünftig ebenfalls alle 10 bzw. 20 Minuten fahren (statt heute alle 15 oder 30 Minuten). Ein höheres Fahrangebot, mehr Gelenkbusse und Taktverdichtungen sind für einige Regionalbuslinien vorgesehen. Schließlich werden neue Verbindungen von Bornheim über Roisdorf nach Bonn-Tannenbusch sowie vom Venusberg über Poppelsdorf, Endenich und die Nordstadt nach Beuel. Erste Maßnahmen können bereits kurzfristig beginnen, das gesamte Paket bis Sommer 2019 umgesetzt werden. Die Stadtverwaltung veranschlagt dafür 18,7 Mio Euro.

Betriebliches Mobilitätsmanagement

Das Betriebliche Mobilitätsmanagement wurde in den vergangenen Monaten gemeinsam mit dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg konzipiert. Es richtet sich an die Arbeitgeber der Region, mit denen passgenaue Angebote entwickelt und getestet werden sollen. Ziele sind, mehr Menschen zum Umstieg auf alternative Verkehrsmittel zu bewegen, Fahrgemeinschaften zu intensivieren und Arbeitszeiten so zu verändern, dass die Fahrten auf verkehrsärmere Zeiten verschoben werden können. Das dazu nötige Projektteam könnte Anfang 2019 seine Arbeit aufnehmen, um im zweiten Quartal 2019 den Arbeitgebern erste Angebote machen zu können. 2,2 Mio Euro sind dafür eingeplant.

„Wir werden jetzt umgehend Gespräche mit dem Verkehrsverbund Rhein-Sieg und dem Rhein-Sieg-Kreis aufnehmen, um in die Realisierung zu gehen“, kündigte Sridharan an. Gedanken müsse man sich auch machen, wie es nach 2020 weitergehe: Die Förderung des Bundes ist auf das Jahr 2020 begrenzt, eine Anschlussförderung ist derzeit nicht vorgesehen.

Auswertung

Mit Hilfe von Fahrgastbefragungen und Zählungen soll ein externes Unternehmen auswerten, welche Wirkungen das Maßnahmenpaket erzielt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden auch dazu dienen, um im Jahr 2020 zu entscheiden, ob die Projekte auf andere Kommunen übertragen, fortgeführt, zurückgenommen oder eventuell modifiziert werden.

Das Sofortprogramm „Saubere Luft 2017-2020“ des Bundes

Mit rund 130 Millionen Euro finanziert der der Bund bis 2020Verkehrsprojekte in den fünf Modellstädte zur Luftreinhaltung. Die Mittel stehen zusätzlich zum „Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020“ zur Verfügung. Die Modellstädte Bonn, Essen, Herrenberg (Baden-Württemberg), und Reutlingen (Baden-Württemberg) setzen damit modellhafte Projekte zur Verbesserung des ÖPNV und zur Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung um. Dies sind beispielsweise der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehr-Angebotes, Ticketvergünstigungen, verbesserte Verkehrslenkung oder neue Radwege.

Dazu erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer: „Wir unterstützen die Modellstädte dabei, den öffentlichen Personennahverkehr vor Ort noch attraktiver zu machen und die Luftqualität in den Innenstädten zu verbessern. Für die Modellprojekte nimmt das Bundesverkehrsministerium allein über 125 Millionen Euro in die Hand. Damit fördern wir von der Schaffung neuer Buslinien und Haltestellen bis hin zu einem 1-Euro-Tagesticket. Das setzt wichtige Anreize, das Auto auch mal stehen zu lassen. Denn nur ein gut ausgebauter und preislich attraktiver öffentlicher Personennahverkehr kann überzeugen.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte: „Mein Ziel ist es, dass in allen Städten der EU-weit gültige Grenzwert für NO2 eingehalten wird. 2017 gab es noch 65 Städte, wo das nicht gelungen ist. Aber nur, wenn wir für saubere Luft sorgen können wir auch Fahrverbote vermeiden. Die Richtung des Weges stimmt, aber wir sind noch nicht am Ziel. Mit den jetzigen Maßnahmen leistet der Staat einen weiteren Beitrag zum Schutz von Umwelt und Verbrauchern. Es ist an der Zeit, dass die Autohersteller ihrer Verantwortung nun auch endlich gerecht werden.“

Hintergrund

In vielen Städten Deutschlands, auch in Bonn, werden die gesetzlichen Grenzwerte für die Stickstoffdioxid-Immissionen überschritten. Daher drohen Dieselfahrverbote, u.a. auch durch die Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid in Bonn. Die Europäische Kommission klagt gegen den Bund wegen Verletzung der EU-Vorgaben zur Luftqualität in mehreren Städten.

Die Stadt Bonn lehnt Dieselfahrverbote ab, will jedoch zeitgleich die Luftqualität im Sinne des Gesundheitsschutzes verbessern. Die Stadt weist darauf hin, dass die Verantwortung für die zu hohen Stickoxid-Immissionen im Wesentlichen bei den Automobilherstellern zu verorten ist. Nach Auffassung der Stadt sollten diese die Autos mit zu hohen Emissionen wirksam nachrüsten. Wie der Deutsche Städtetag sieht die Stadt Bonn in einer „Blauen Plakette“ für saubere Diesel eine Notlösung, um pauschale und kaum zu kontrollierende Dieselfahrverbote zu vermeiden. Auch wenn die Verantwortung für die hohen Schadstoffwerte im Wesentlichen bei den Automobilherstellern liegt, will die Stadt Bonn über kommunale Maßnahmen ihren Beitrag dazu leisten, die Luftqualität zu verbessern.

Dafür arbeitet die Stadt Bonn u.a. im NRW-Förderprogramm „Emissionsfreie Innenstadt“ oder im von Bundesseite aufgesetzten „Sofortprogramm Saubere Luft“ und sie erarbeitet einen durch den Bund geförderten „Masterplan“. Das Projekt „Lead City“ ist ein eigenes Förderprojekt. Es bewegt sich außerhalb dieser Förderprogramme.

Im Februar 2018 hatte der Bund dem EU-Kommissar Karmenu Vella ein Bündel von Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Deutschland angekündigt. Diese Projekte sollen in fünf Modellstädten („Lead Cities“) erprobt werden: Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen.

Die Stadtverwaltung reichte als Modellstadt zunächst eine Liste von 60 möglichen Maßnahmen beim Bund ein. Daraufhin bat der Bund, fünf bis zehn Projekte zu priorisieren. Die Stadt Bonn meldete zehn prioritäre Projekte, von denen der Bund die drei dargestellten Maßnahmenpakete grundsätzlich für förderfähig hält.

Die detaillierten Projektskizzen stehen unter www.bonn.de.

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