Ludwig-Erhard-Stiftung e.V. – Industrie verteidigt liberales Verbraucherleitbild

Symposion der Ludwig-Erhard-Stiftung: Automobil-, Lebensmittel- und Tabakindustrie befürchten Überregulierung und Einschränkungen durch den „Nanny State“.

Berlin, 17. Mai 2017 – Das liberale Leitbild des mündigen Verbrauchers ist durch zahlreiche Versuche der Bundesregierung, die Bürger zu bevormunden, in Gefahr. Der Vorsitzende der Ludwig-Erhard-Stiftung Roland Tichy warnte auf einem Symposion der Stiftung in Berlin: „Der Staat benimmt sich immer mehr als allwissende Instanz, die sehr viel besser als seine Bürger weiß, was gut für sie ist. Diese Tendenz zum Nudging und zum Nanny State gefährdet in der Konsequenz die Freiheit. Die Industrie braucht ein breites Bündnis gegen diese zunehmende staatliche Bevormundung der Verbraucher.“
Führende Verbandsvertreter der Automobil-, Lebensmittel- und Tabakindustrie schilderten die unterschiedlichen Überregulierungen und Freiheits-einschränkungen in ihrer jeweiligen Branche. Dr. Kay Lindemann, Geschäftsführer beim Verband der Automobilindustrie e.V., sagte: „Wir haben nichts gegen angemessene und sinnvolle Regulierung. Im Gegenteil, die gemeinsamen Standards und Abgasnormen in Europa machen den Binnenmarkt für die Automobilindustrie ja überhaupt erst möglich. Trotzdem treibt der missionarische Eifer mancher Politiker auch im Automobilsektor oft seltsame Blüten. In manchen Diskussionen ist Maß und Mitte verrutscht. Da wünscht man sich mehr ökonomische Vernunft und Augenmaß.“

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. sagte: „Wir erleben eine öko-autoritäre Bourgeoisie, die auf die breite Masse der Menschen herabblickt und deren Konsumverhalten verachtet. In deren Kampagnen werden immer einzelne Produkte für ganze Fehlentwicklungen in der Gesellschaft und im Gesundheitssystem verantwortlich gemacht: Tabak, Zucker, Alkohol, Kaffee, Tee. Vor allem die NGOs haben in diesen Kampagnen ein attraktives Geschäftsmodell gefunden und profitieren von den Medien, die diese Behauptungen oft kritiklos verbreiten.”

Michael von Foerster, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen Rauchtabakindustrie e.V., sagte: „Die Entmündigung des Verbrauchers begann beim Tabak. Nun steht immer mehr Branchen bevor, was wir in der Tabakindustrie bereits durchgemacht haben. Von der Kennzeichnungspflicht bis zum Verbot einzelner Produkte oder Technologien. Deshalb sollte die deutsche Industrie gemeinsam für ein modernes aufgeklärtes Verbraucherleitbild kämpfen. Sonst gefährden die Eingriffe des Staates in die Lebensweise seiner Bürger die Grundlagen unserer Sozialen Marktwirtschaft.“
Der Kampf um ein fortschrittliches Verbraucherleitbild müsse auf politischer und nationaler Ebene geführt werden. Diesmal könne man nicht Europa verantwortlich machen. Prof. Dr. Markus Möstl, Direktor der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht, sagte: „Es gilt als großes Verdienst des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), europaweit das Bild des „verständigen Durchschnittsverbrauchers“ durchgesetzt zu haben. Der „verständige Verbraucher“, der angemessen informiert, aufmerksam und kritisch ist, kann als „mündig“ angesehen werden, da er grundsätzlich bereit und in der Lage ist, Informationen zur Kenntnis zu nehmen, kritisch zu verarbeiten, und sich damit nicht allzu leicht täuschen lässt. Doch dieser Fortschritt wird aktuell in der deutschen Politik zurückgedreht.“

„Mittlerweile spricht man im Verbraucherministerium bereits vom verletzlichen Verbraucher. Dieses Beispiel zeigt, wie wir gerade eine ungeheure Bedeutungsverschiebung in der Sprache der Politik erleben. Der verletzliche Verbraucher bedeutet ja wörtlich, dass Konsum krank macht“, sagte Prof. Dr. Ulrike Ackermann, Direktorin des John Stuart Mill Instituts für Freiheitsforschung. „Es sind solche Denkfiguren, die massiv unsere kulturellen Diskurse beeinflussen. So werden ganz normale Genussmittel mit einem inflationären Suchtbegriff diskriminiert. Im Grunde steht unsere ganze westliche materielle Lebensweise zur Disposition – und damit auch die Freiheit des Individuums. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Staat darüber bestimmt, was ein gutes Leben ausmacht.“

Prof. Dr. Norbert Bolz, Professor für Medienwissenschaft an der Technischen Universität Berlin, wies in seinem Vortrag darauf hin, dass der Nanny State von einem Verbraucher ausgehe, „der an der Grenze zur Debilität verharrt, unmündig und hilflos ist und gegen die kleinste Gefahr der Irreführung geschützt werden muss. Dieser Verbraucher benötigt eine umfassende Betreuung durch den Staat. Das fügt sich nahtlos ein in den vorsorgenden Sozialstaat, der nicht nur akute Not lindern will, sondern den Bürger von der Wiege an die Bahre an die Hand nimmt. Dieses Betreuungsdenken hat mittlerweile beide großen Volksparteien erobert. Eine Unterscheidung der Gesellschaft nach dem politischen Links-Rechts-Schema ist deshalb nicht mehr sinnvoll. Ich halte es eher mit Helmut Schelsky und unterscheide die Menschen nur noch nach den Kategorien „betreut“ und „selbständig“. Der neue Trend des Nudging treibt die staatliche Betreuung auf die Spitze. Die Politiker mischen sich immer mehr in den Alltag der Bürger ein. Sie flüchten aus der großen Politik, in der sie nichts mehr bewirken können, in die Mikropolitik. Dieser libertäre Paternalismus ist in Wahrheit eine Politik der Lüste. Alles was Spaß macht, wird verboten. Wie man heute mit Rauchern umgeht, ist nahezu grotesk. Ich bin aber optimistisch, dass sich die Bürger und Verbraucher das nicht mehr lange bieten lassen.“

Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

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